Elisabeth Holder

Zeichen: Bedeutungsträger

Lebensspuren

Das Innere von Gavrinis ist geprägt von einer Fülle von Gravierungen auf fast allen Stein­stelen. Sie sind von tiefen, sich kon­zen­trisch aus­breiten­den, halb­bogen­förmi­gen Linien be­deckt. Sie wurden in My­ria­den von punkt­förmigen Ab­schlägen als leben­dige Spur in den Stein ge­graben. In ihren Experi­men­ten hat die Autorin dieses Prinzip der Wieder­holung auf­gegriffen und dabei er­fahren, dass die in ostinato­hafter Wieder­holung ge­setzten Zeichen wie von selbst rhythmi­sier­te, den Gesetzen von Or­na­ment ge­horchen­de Ein­heiten ergab. In der Über­tragung auf Schmuck wurde die be­ständige Wieder­holung als Ein­schreibung direkt im Material sichtbar.

Bedeutungsträger: Lebensspuren
1 / 5   Gravierte Steinstelen in der Passage des neolithischen Ganggrabs „Gavrinis“ in der Bretagne, Frankreich.
Bedeutungsträger: Lebensspuren
2 / 5   Tafelbilder, 1999
In Reaktion auf die bretonischen Steingravierungen wurden diese Tafeln wieder und wieder mit einfachen Zeichen beschrieben.
Bedeutungsträger: Lebensspuren
3 / 5  Kreisende Kreise. Armschmuck aus der Serie 'Einschreibungen' und Zeichnung, 1999
Bedeutungsträger: Lebensspuren
4 / 5   Einschreibungen. Armschmuck, 1999
Bedeutungsträger: Lebensspuren
5 / 5   Einschreibungen. Armschmuck, 1999
«Die ‹Einschreibungen› sind keineswegs ornamental. Sie entspringen einem nahezu rituellen Eintauchen der Schmuck­gestalterin in die Zeichen­welt des Arche­typischen …» Barbara Maas

Haut

Viele Steinstelen in dem berühmten neo­lithischen Monument 'Newgrange' sind mit der Technik des Spitzens* flächen­deckend behauen. Die durch viele einzelne Schläge mit einem spitzen härteren Stein ent­standenen Ver­tiefungen liegen wie eine Haut über dem behauenen Stein und tragen zu der körper­haft-organischen An­mutung der senk­recht stehenden Steine bei. Darüber hinaus bewirken Punktie­rungen dieser und ähnlicher Art den Ein­druck von Zartheit.

* Die Technik des Spitzens ist eine der ältesten Techniken der Stein­bearbeitung. Wie damals wird sie auch heute noch ein­gesetzt, um Steine zu glätten.
Bedeutungsträger: Haut
1 / 3   Behauene Steinstelen in der Passage von „Newgrange“ in Irland
Bedeutungsträger: Haut
2 / 3   Porzellantafel mit Punktierung, 2018
Bedeutungsträger: Haut
3 / 3   Schichtungen. Brosche, 2001

Konzentration und Weite

Ein schweifender Blick geht in die Weite, ein auf den eigenen Stand­ort ge­richteter Blick da­gegen ver­engt und kon­zen­triert das Blick­feld. Die neo­lithischen Hügel­gräber von Loughcrew ermöglichen solche Erfahrungen auf viel­fältige Weise und sie sind auch den Stein­stelen dieser Orte ein­ge­schrieben. In seiner elemen­tarsten Form be­steht das Zeichen zur Ver­sinn­bild­lichung von Kon­zentra­tion und Weite aus einer punkt­förmigen Vertiefung im Zentrum eines größeren Kreises. Die getrennte Dar­stellung wie in Loughcrew besteht aus kom­plexeren Zeichen­kom­binationen. Weite wird hier durch einen zentralen Punkt, der von kon­zen­trischen Kreisen umgeben ist, sym­bo­li­siert. Sinn­bild für Kon­zen­tra­tion hin­gegen ist ein ge­schlossener Kreis, von dem aus radial ge­setzte Strahlen auf den zen­tralen Punkt weisen.


Diese zusammen­fassende Schau ist Resultat vieler Besuche der neo­lithischen Stätten von Loughcrew. Aus den dabei ge­machten Er­fahrungen ent­standen die hier ge­zeigten Arbeiten.

Bedeutungsträger: Konzentration und Weite
1 / 4   Gravierungen auf einer Steinstele in Loughcrew, Irland
Bedeutungsträger: Konzentration und Weite
2 / 4   Tektonit. Brosche, 2001
Bedeutungsträger: Konzentration und Weite
3 / 4   Erdkruste. Schale, 2001
Bedeutungsträger: Konzentration und Weite
4 / 4   Verdichtung. Kettenringe, 2001

Verkörperungen

Rauten und Dreiecke füllen den Raum zwischen dicht ge­setzten Spiralen oder Kreisen wie der pracht­voll be­hauene Stein von Newgrange in Irland zeigt. Verkörpert von diesem Stein, ver­weisen die Gra­vierung­en am Ein­gang auf dessen Thematik der Gra­vierung­en im Inneren. Was es mit dem auf der Aus­gra­bungs­stätte Ness of Brodgar in Orkney ge­fundenen steiner­nen Quader genau auf sich hat, muss offen bleiben, da dieser nicht im Original­kontext geborgen werden konnte. Nahe­liegend ist, dass hier grund­legende Er­fahrungen der da­maligen Welt­anschauung auf hoch abstrakte Weise ver­dichtet und ver­körpert sind.


Auch die gezeigten Schmuck­objekte sind Ver­kör­perungen der Zeichen Spirale, Dreieck und Viereck. Sie ordnen sich ihren Träger*­innen nicht unter. Im Gegen­teil, sie fordern diese dazu heraus, sich immer wieder neu damit zu befassen. Als Schmuck­zeichen sind sie auf die Spitze ge­triebene Abstraktion.

Bedeutungsträger: Verkörperungen
1 / 5   Gravierter Stein vor dem Eingang des neolithischen Monuments „Newgrange“ in Irland
Bedeutungsträger: Verkörperungen
2 / 5   Kieselsteine mit Aschebemalung
Bedeutungsträger: Verkörperungen
3 / 5   Spiralringe, 1987
Bedeutungsträger: Verkörperungen
4 / 5  Archäologischer Fund von der Ausgrabungsstätte 'Ness of Brodgar', Mainland Orkney, Schottland
Bedeutungsträger: Verkörperungen
5 / 5   Ringobjekte, 1990